Ein Geburtstagsgeschenk der besonderen Art: Landespolizeiorchester Baden-Württemberg zu Gast in Wangen

Von Katharina Bosien und Heike Bosien

Foto: Landespolizeiorchester Baden-Württemberg

„Wir kommen heute zu Eurem 50. Geburtstag und ihr kommt dann zu unserem 100. Geburtstag im kommenden Jahr“, so Chefdirigent Prof. Stefan R. Halder am Samstag, den 9. November 2019, in der vollbesetzten Wangener Kelter. Der Jugendmusikzug der Freiwilligen Feuerwehr Stuttgart, Abt. Wangen, allen voran Jugendleiter Tobias Veit, freute sich über den hohen Besuch des erstklassigen Berufsorchesters anlässlich des Jubiläumsjahres des Jugendmusikzuges in Wangen.

Das Programm des Landespolizeiorchesters Baden-Württemberg „Schwäbisch-Badisch-Grenzenlos“ nahm das Miteinander von Schwaben und Badenern musikalisch in den Blick und die Wanderbewegungen der Schwaben in ganz unterschiedliche Winkel Europas und der ganzen Welt.

Es war spannend zu erleben, wie Stefan R. Halder durch seine Einführungen und Geschichten zu den einzelnen Stücken die Wangener in den Bann zog und sie mitnahm mit seinem Humor. Migrationsgeschichte der Schwaben wurde auf eine Weise lebendig, die schnell deutlich machte, dass musikalischer Reichtum ohne Austausch und Wanderbewegungen nicht entstanden wäre.

Mit Patrick Egge‘s Schwaben-Ouvertüre eröffnete das symphonische Blasorchester des Landes Baden-Württemberg seine Reise. Aus dem Kompositionswettbewerb zu fließenden Gewässern in Baden-Württemberg, welcher vom Landespolizeiorchester initiiert wurde, war das eindrückliche Stück „Die Echaz“ von N. Gollnau und J. Mittl zu hören. Lautmalerisch beschrieben Holz- und Blechbläser des 30-köpfigen Klangkörpers aus zehn Nationen den Flussverlauf der Echaz. Kontrabass, Piano und Percussion setzten ganz eigene Farbtupfer ins Bild.

Das Stück von Fynn Müller „Ein Schwabe in New York“ entführte in den Big-Band-Sound der 20er Jahre in Amerika. Hintergrund dieses Stückes ist die Geschichte der Instrumentenfabrik Hohner in Trossingen. 1857 gegründet von Matthias Hohner avancierte die Mundharmonika im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts zum elementaren Bestandteil der aufkommenden amerikanischen Bluesmusik. Zu jener Zeit wanderte einer der Hohner Sohne nach Amerika aus. Unehelicher Nachwuchs trieb ihn aus dem pietistischen Trossingen fort in die große weite Welt nach New York. Spätestens bei diesem Stück hatte das Landespolizeiorchester die Herzen der Wangener endgültig erobert.

Begann der erste Teil bei den Schwaben, so endete er bei den Badenern mit dem Stück „Best of Baden“ arrangiert von Thomas Matthias Förster. In ihm kamen zahlreiche aktuelle Popsong mit badischer Herkunft zum Vorschein. Mitgesungen wurde natürlich auch. Wer diese Lieder der heutigen Charts alle erkenne, so Dirigent Halder, könne sich bei ihm in der Pause eine CD abholen.

Mit „Armenian Dances“ und „Klezmer Classics“ trug das Programm des Landespolizeiorchesters der Erinnerung an den 9. November in all seiner Ambivalenz Rechnung. Dieser Tag ist mit der Erinnerung an den Tag des Mauerfalls 1989 ein Freudentag, doch er trägt auch das Gedenken an die Reichsprogrammnacht 1938 in sich. Klezmer Classics von Johan de Meij brachte die reiche Kultur der Instrumentalmusik der Jiddisch sprechenden Juden Osteuropas zu Gehör. Polen war über Jahrhunderte das Zentrum dieser jiddischen Musikkultur. Durch seine Toleranzpolitik gegenüber Juden entstand in Polen im Mittelalter die größte jüdische Gemeinschaft Europas.

„Armenian Dances“ von Alfred Reed erzählte hingegen die Geschichte des Völkermords an den Armeniern 1915/1916. Klänge, die in die Musikwelt der heutigen Türkei und Syriens verweisen.

Dass der Schauspieler Anthony Hopkins zu jenen Künstlern gehörte, die vielerlei Talente auslebten, wurde mit dessen Komposition „And the Waltz goes on“ deutlich. Ein Stück arrangiert von Walter Ratzek.

Mit einem großen Tusch endete das Programm. Der virtuose argentinische Querflötenspieler César Villafane zog mit seiner Querflöte quer durch die Kelter und improvisierte auf seiner Flöte zu dem Stück „El Cumbanchero“ von Rafael Hernández. Es war klar, dass ein so grandioses Konzert nicht einfach mit dem abgedruckten Programm endete. Zwei Zugaben brauchte es um die stehende, klatschende Menge an diesem Abend zu entlassen. Dass dabei mit dem Radetzky-Marsch noch ein Hauch vom Wiener Neujahrskonzert durch die Kelter schwebte, vollendete für die Zuhörerinnen und Zuhörer das Glück dieses Abends.